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Adventsgeschichte, Adventsgeschichte für Senioren, Geschichte für Senioren, Kindergeschichte, Weihnachtsgeschichte
Das Weihnachtsnachthemd
Im Garten ist Winterruhe eingekehrt. Sogar ein wenig Schnee hat es heute gegeben und das bringt Marie völlig aus der Fassung.
„Ist es nun bald soweit? Kommt das Christkind?“, fragt sie ihre Mutter, die in der Küche einen Plätzchenteig knetet.
„Da musst du noch ein bisschen warten, mein Schatz“, antwortet die Mutter.
„Och immer warten, kann denn das Christkind nicht einfach früher kommen?“
Die Mutter lacht.
„Nein, es kommt an seinem Geburtstag, und das ist nun mal, der 24. Dezember.“
„Ich mag aber nicht mehr warten, Mama. Du weißt doch, wie schlecht ich warten kann!“ Die Mutter lacht. Ja, das weiß sie und nicht nur das, sie hat auch vorgesorgt.
„Wenn du mir versprichst, dass du dir Mühe geben willst, nicht allzu ungeduldig zu sein, dann habe ich schon heute ein kleines Geschenk für dich!“, verspricht die Mutter, wischt sich die Hände in ihrer Schürze ab und geht ins Wohnzimmer.
Gleich darauf kommt sie zurück. Sie hält ein rotes, mit lustigen Weihnachtsmotiven bemaltes Hemd in den Händen. Marie verzieht enttäuscht das Gesicht.
„Das ist ja nur ein Nachthemd.“
Die Mutter schmunzelt.
„Es ist ein ganz besonderes Hemd, ein Weihnachtshemd!“
„Was soll daran schon besonders sein, ein rotes Hemd mit Bildern!“, schmollt Marie.
„Zieh es heute Nacht an, dann wirst du sehen, dass es ein ganz besonderes Hemd ist, das verspreche ich dir!“
Am Abend zieht Marie, nachdem sie die Zähne geputzt hat, das „besondere“ Nachthemd an. Sie glaubt nicht, dass sie ihre Meinung über das Hemd ändern wird. Aber – ein Versuch macht klug. Sie liegt noch nicht ganz in ihrem Bett, da fallen ihr die Augen zu. Sie hört eine leise Melodie und plötzlich ist alles ganz warm und hell.
Sie blinzelt und sieht sich erstaunt um. In einem Stall ist sie. Ein Stern taucht die armselige Umgebung in ein strahlend helles Licht. Weißgekleidete Engel singen so wunderschön, dass es Marie ganz anders um Herz wird. In der Krippe liegt das Jesuskind und lacht ihr fröhlich entgegen.
Marie selbst steht in ihrem Weihnachtsnachthemd und barfuß im Stroh vor der Krippe. Sie überlegt, wie sie das Jesuskind ansprechen soll, denn schließlich weiß sie ja, dass es Gottes Sohn ist, der da vor ihr liegt. Gar nicht so einfach! Marie versucht es mit:
„Na du!“ Das ist erstmal unverbindlich. Das Kind sagt nichts, aber es lächelt weiter.
„Ich weiß, wer du bist … und ich bin die Marie!“, fährt Marie fort.
„Schön Marie, dass du uns besuchst und siehst du wie sehr sich das Kind über deinen Besuch freut, aber er ist ja noch ein Baby und kann noch nicht sprechen.“
Marie sah die schöne junge Frau ehrfürchtig an.
„Bist du die Mutter Maria?“
„Ja, wir haben beide fast den gleichen Namen.“
„Aber warum kann das Jesuskind denn nicht sprechen, er ist doch Gottes Sohn?“
„Ja, aber er wurde von Gott als Mensch auf die Erde geschickt und wie jedes Kind muss er auch erst alles lernen.“
Marie reicht dem Kind die Hand und lacht, als es ihren Finger festhält.
Niemand wird ihr glauben, dass sie das gerade erlebt. Aber das ist nicht schlimm, denn wichtig ist, dass es so ist und es ist wunderbar.
Plötzlich hört Marie, dass jemand ihren Namen ruft. „Marie! Du kleine Schlafmütze!“ Das ist eindeutig Mama.
„Ich komme morgen wieder!“, flüstert Marie und öffnet die Augen.
Mama steht an ihrem Bett und lächelt.
„Guten Morgen, mein Kind. Hast du gut geschlafen?“, fragt sie.
Marie kann nur nicken, so ergriffen ist sie noch von dem im Traum erlebten.
Nach dem Frühstück fragt Marie ihre Mutter:
„Sag mal, Mama, funktioniert das Nachthemd jede Nacht?“
Erstaunt sieht Mama ihre kleine Tochter an.
„Was meinst du?“, fragt sie.
„Ach, ist schon gut!“, sagt Marie, die plötzlich weiß, dass sie ihr Geheimnis für sich behalten sollte. Aber aufschreiben würde sie es, ganz bestimmt.
Wenn ich euch nun erzähle, dass Marie, obwohl sie heute erwachsen ist, immer noch ihr Weihnachtsnachthemd hat und es in der Zeit vor Weihnachten mit ins Bett nimmt (sie passt längst nicht mehr hinein), dann wisst ihr, dass es weiterhin funktioniert hat, stimmts?
© Regina Meier zu Verl
