Frieder und der Club der Weihnachtswichtel
In unserer kleinen Stadt gab es einen Verein. „Der Club der Weihnachtswichtel“ hieß er.
Wer diesem Verein angehörte wusste ich nicht. Die Erwachsenen machten ein großes Geheimnis draus. Selbst aus Tante Cilly, die über alles im Ort Bescheid wusste, war nichts heraus zu bekommen.
Ob das die Wichtel waren, die beim Basteln der Weihnachtsgeschenke halfen? Wäre cool, wenn die hier in bei uns wohnten.
Ich versuchte, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Abends, wenn meine Eltern meinten ich sei längst im Bett, lauschte ich vor der Wohnzimmertür, was sie sich zu erzählen hatten.
Doch sie sprachen so leise, als wüssten sie, dass ich vor der Tür hockte. Ich wollte auch nicht aufs Spiel setzen, dass ich möglicherweise keine Geschenke bekäme, wenn ich allzu neugierig war. Deshalb ließ ich es dann bleiben.
Irgendwie würde ich aber doch dahinterkommen. Das wäre doch gelacht. Wem in meiner Verwandtschaft könnte ich das Geheimnis entlocken? Tante Helga! Die war oft so zerstreut, die verplapperte sich bestimmt.
Am nächsten Tag machte ich mich auf den Weg zu Tante Helga. Aber nicht mit leeren Händen, ich packte ihr ein paar von unseren selbst gebackenen Keksen ein, die würden ihre Zunge schon lockern.
Leider hatte ich Pech, denn bei Tante Helga war gerade ihre Schwester Cilly zu Besuch und die war verschwiegen wie ein Grab, das sagte ich ja schon. Meine Kekse ließ ich wohl oder übel aber da. Es hätte sich nicht gut gemacht, wenn ich die wieder eingepackt hätte, nicht wahr? Möglicherweise waren sie selbst im Club und hatten da sogar etwas zu sagen.
Also zog ich weiter. Mein nächstes Ziel war Opa Josef. Männer müssen schließlich zusammenhalten.
Aber ein Geschenk sollte ich wohl auch mitbringen. Was brachte Opas Gesicht zum Strahlen? Eine gute Zigarre! Also ging ich in das Tabaksgeschäft zu Herrn Brummer und ließ mir eine der besten Zigarren als Geschenk verpacken. Hoffentlich hatte ich auch Erfolg, wenn ich schon so viel von meinem Taschengeld opferte.
„Nanu, habe ich heute Geburtstag,“ schmunzelte Opa, als ich das Päckchen überreichte. Ich wurde rot und verlegen. Doch dann beschloss ich einfach ehrlich zu sein.
„Nein, du weißt ja, dass du heute nicht Geburtstag hast. Es handelt sich um ein Bestechungsgeschenk, denn ich will endlich wissen, was der Club der Weihnachtswichtel ist. Niemand will es mir verraten. Ich bin doch kein Baby mehr.“
Opa lachte herzlich und schnupperte an der Zigarre.
„Nein, ein Baby bist du nicht mehr. Aber du bist ganz schön neugierig, mein Junge. Ich weiß auch gar nicht, ob ich dir das Geheimnis verraten darf!“, sagte Opa und griff sich in den Bart.
„Also pass auf“, sagte er nach einer Weile. „Ich sage dir aber schon vorsorglich, dass du, wenn du weißt, was das für ein Verein ist, ihm beitreten musst. Das ist Pflicht!“
Hmm, das Wort Pflicht erinnerte mich immer so an unangenehme Hausaufgaben, andererseits wollte ich nun auch keinen Rückzieher mehr machen.
„Also gut, dann werde ich dem Verein beitreten. Bin ich dafür denn groß genug?“, fragte ich noch vorsichtshalber.
Opa Josef schüttelte den Kopf. „Nein, nein, du bist alt genug und auf die Größe kommt es nicht an. Pass auf: Der Club der Weihnachtswichtel hat sich zusammengetan, um Kindern, die keine Geschenke zu Weihnachten bekommen, weil die Eltern arm sind, oder keine Arbeit haben oder krank sind, oder sogar starben, zu Weihnachten eine Freude zu bereiten. Die Weihnachtswichtel sammeln Geld, oder Geschenke. Sie basteln auch und sie hören sich um, wo ein Kind ist, das beschenkt werden sollte. Dabei kannst du gut helfen. Du darfst aber auf keinen Fall irgendjemandem etwas davon verraten!“, sagte Opa.
„Das werde ich nicht!“, versprach ich und hob wie zum Schwur die Hand. „Du kannst dich auf mich verlassen, Opa!“
„Das weiß ich, mein Junge!“, sagte Opa stolz. „Ich werde dich in unserer nächsten Sitzung vorstellen, komm morgen so gegen 18.00 Uhr wieder her, da versammeln wir uns hier bei mir. Komm einfach etwas früher, dann stelle ich dir die anderen Wichtel vor, wenn sie eintreffen.“
Ich war mächtig aufgeregt am nächsten Tag. Das kann man sich ja vorstellen, oder? Schon eine halbe Stunde früher traf ich bei Opa ein, ich hatte meinen Eltern natürlich nichts verraten und ein bisschen drückte mich das schlechte Gewissen, dass ich sie angeschwindelt hatte, indem ich sagte, ich müsse in die Stadt, nach einem bestimmten Weihnachtsgeschenk suchen.
Aufgeregt saß ich auf Opas Sofa und als es das erste Mal klingelte, wurde mir ganz flau im Magen. Die Tür ging auf und Tante Cilly und Tante Helga traten ein.
„Na, Frieder, besuchst du deinen Opa?“, fragten sie verwundert.
„Nö!“, sagte Opa. „Das ist unser neues Mitglied!“
Es klingelte schon wieder. Herr Sorglos vom Gemeinderat trat ein und schüttelte allen die Hände.
Danach kam Frau Liedke, die unsere kleine Bücherei leitete und zum Schluss betraten meine Eltern Opas Wohnzimmer. Die staunten, als sie mich entdeckten, aber so ganz richtig verwundert waren sie wohl nicht. Vielleicht gab es doch eine undichte Stelle in der Familie. Ist auch egal, ich wusste nun, was der Club der Weihnachtswichtel zu bedeuten hatte und es machte mir eine riesige Freude, dass ich auch ein Wichtel sein durfte.
© Regina Meier zu Verl
Hier lese ich euch die Geschichte vor.
