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Als der goldene Stern dem Hasen vor die Füße fiel

Als der kleine Hase einmal im tief verschneiten Wald unterwegs war, blitzte es plötzlich im Schnee golden auf. Ein Zackending war es, das dort lag. Klein und doch nicht klein und golden, sehr golden. Es war, als würde dieses Goldene immer wieder aufblinken. Seltsam.
„Was bist du denn für ein Tier?“, fragte er.
„Oh, kleiner Hase, wie dumm du doch bist!“, antwortete das Eichhörnchen, das gerade in der Nähe war. „Das ist doch kein Tier, es hat ja nicht einmal Augen!“
„Aber was ist es dann?“ Der kleine Hase war ratlos.
„Vielleicht eine Nuss?“ Das Eichhörnchen kam näher. Es hatte Hunger.
„Unsinn!“, brummte die alte Eule, die im Stamm der Buche ihren Schlafplatz hatte. „Direkt an mir vorbeigesaust ist dieses Ding und in den Schnee geplumpst. Es kam von oben.“ Sie deutete mit dem Flügel dorthin, wo die Baumkrone aufhörte und der Himmel begann.
„Äh, könnte es sein …, ich meine ja nur, könnte es sein, dass ihr alle dumm seid?“, fragte der Fuchs mit rauchiger Stimme. Er setzte sich, streckte den Rücken und legte seinen buschigen Schwanz um seine Vorderbeine. Vornehm sah das aus.
„Dumm? Was denkst du von mir?“, zischte die Eule. Sie war empört. „So viele Jahre lebe ich schon hier, das aber hat noch keiner zu mir gesagt.“
„Zu mir auch nicht“, murmelte das Eichhörnchen und der kleine Hase fragte:
„Dumm? Was ist das?“
Der Fuchs räusperte sich. „Ich wollte euch nicht verärgern, meine Lieben, aber jeder weiß, dass das Ding, das da in den Schnee plumpste, kein Lebewesen ist. Es ist einfach ein Stück Metall, hübsch zwar, aber eben nur ein Ding.“
„Genau!“, rief einer der drei Raben, die gerade angekommen waren und sich nun dem kleinen Stern näherten. „Nichts weiter als ein totes Ding ist es.“
„Stimmt!“, krächzte der zweite Rabe. „Mit Glitzersachen könnt ihr nichts anfangen. Uns Raben obliegt es, sie einzusammeln und an einen sicheren Ort zu bringen.“
Der dritte Rabe sagte gar nichts. Er versuchte gleich, den kleinen Stern an einem der goldenen Zacken zu packen.
„Halt! Stopp!“, rief der kleine Hase. „Es ist meins. Ich habe es gefunden!“
„Nein!“, wisperte da ein Stimmchen. „Es ist meines, ich habe es verloren. Es ist mein Sternchen.“
Und ehe sich die Tiere wundern konnten, landete schon ein Engelchen mit goldenen Haaren und rosafarbenen Flügeln im Schnee direkt vor dem Glitzerding.
„Danke, dass ihr auf mein Sternchen aufgepasst habt!“, sagte es und lachte.
Der Fuchs übernahm das Wort. „Das haben wir gern gemacht, kleiner Engel! Natürlich wusste ich, dass dies ein Stern ist, aber ich wollte sehen, ob die anderen das auch herausbekommen hätten.“ Er lachte albern.
Die Eule verbarg ihren Kopf unter einem ihrer Flügel, dieser Fuchs war einfach peinlich. Das Eichhörnchen rollte dem Engel eine Nuss hin.
„Hier, bitte schön, die ist für dich!“, sagte es.
Und der kleine Hase? Der kicherte.
„Ich weiß eigentlich nicht, was ein Engel ist“, hickste er vor lauter Kichern. „Und was ein Stern ist, ist mir auch nicht bekannt. Doch ein Hase kann nicht alles wissen.“
Er hüpfte näher zu dem Engelchen und rieb seine Nase an dessen Gewand. „Aber ich mag euch. Sehr sogar. Für immer müsst ihr nun hier bleiben. Bei mir. Nein, ich meine natürlich, hier bei uns im Wald.“
„Kleiner Hase“, sagte der Engel feierlich. „Bleiben kann ich nicht, aber ich werde gewiss auf euch aufpassen. Ich habe einen guten Platz dort oben.“ Er deutete zum Himmel. „Von dort aus kann ich euch sehen, und wenn ihr mich braucht, komme ich zu euch. Das verspreche ich! Doch nun muss ich zurückkehren. Lebt wohl!“
Er nahm das Sternchen, das in diesem Moment hell aufleuchtete, und erhob sich in die Luft.
Die Tiere sahen ihm noch lange hinterher und wenn sich mal eines von ihnen einsam fühlte, dann blickte es zum Himmel hinauf und suchte den Stern, der einmal in ihrem Wald geplumpst war.

© Elke Bräunling & Regina Meier zu Verl

Im Winterwald, Bildquelle © cocoparisienne/pixabay