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Der letzte Job des Schneemanns

„Bing, bing!“, tönte ein leises Klingen an diesem sonnigen Frühlingstag durch den Garten. „Bing, bing! Wacht auf! Hört ihr?“
Bing, bing? Die Gräser auf der Wiese, die welk im Winterschlaf lagen, richteten ihre Spitzen auf und lauschten. Schön klang es, dieses „Bing, bing.“
Auch die Blumenzwiebeln erwachten, und einige ganz vorwitzige schickten ihre Triebe durch den Boden. Zum Nachschauen. Was sonst? Schließlich lag im Garten noch immer etwas Schnee.
„Bing, bing?“, fragte der Schneemann, der sich müde gegen den Stamm des Kirschbaums lehnte. „Was hat das zu bedeuten? Und warum weint mein Schneemannkleid so viele Tränen?“
Er blickte auf die vielen Wassertröpfchen, die eines nach dem anderen zu Boden tröpfelten.
„Bing, bing“, sangen diese Schneemannwassertropfen, die einmal Schneeflocken gewesen waren. „Wir müssen los zu unserem neuen Job.“
„Neuer Job?“ Der Schneemann verstand immer weniger.
„Aber ja“, riefen die Tropfen. „Viel zu tun gibt es. Wir müssen in die Erde sickern und die Zwiebeln und Wurzeln der Blumen, Gräser, Büsche und Bäume wecken. Die nämlich haben nun einen Riesendurst und ohne uns Wassertropfen können sie nicht wachsen. Klar?“
„K-k-klar“, stammelte der Schneemann, der überhaupt nichts begriff. „Und dann?“
„Dann steigen wir im Dunst der Sonnenstrahlen zum Himmel, wo wir uns in Wolken versammeln.“
„Warum in Wolken?“ Der Schneemann schielte himmelwärts.
„Oh, wie bist du dumm!“, riefen die Wassertropfen, die sich immer mehr und mehr von Kopf und Bauch des Schneemanns lösten und zu Boden kullerten. „Damit wir regnen können. Regen hilft der Erde und den Pflanzen beim Wachsen.“
„Aha!“, murmelte der Schneemann. „Das klingt nach Arbeit.“
Er blickte auf seinen Bauch, der immer dünner wurde. „Nur ich, ich stehe hier faul herum und fühle mich müde. Sagt, was kann ich denn tun?“
„Nichts!“, kicherten die Wassertropfen. „Weiter schmelzen und uns freigeben. Das ist dein Frühlingsjob.“
„Na, wenn’s weiter nichts ist, so soll es mir recht sein.“ Der Schneemann lehnte sich noch ein wenig näher an den Baumstamm und murmelte:
„Durchaus angenehm, so ein Frühlingsjob. Durchaus angene-he-he-hem …“
Und durchaus angehe-he-hem schmolz er an jenem sonnigen Frühlingstag langsam dahin, bis von ihm nichts mehr übrig blieb als ein alter Hut, ein Stock und eine Möhrennase.

© Elke Bräunling

Weitere Geschichten zum Ende des Winters findest du hier:
Als der Winter die Schneemänner suchte
Das Frühlingslied der Wassertropfen
Der kleine Bär und der schöne Schneemann

 

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NEU zum Thema Winterende und Tauwetter:


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Noch lacht er, der Schneemann, Bildquelle © TaniaVdB/pixabay