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Die rote und die blaue Weihnachtskugel

Die alte Holzschachtel auf dem Dachboden war völlig in Vergessenheit geraten. Früher hatte sie der Großvater immer ein paar Tage vor dem ersten Advent nach unten in die Wohnung gebracht. Seit er aber nicht mehr da war, stand sie dort oben und verstaubte. Ab und zu hatte die Großmutter sich noch an sie erinnert. Aber schließlich hatte man die Kiste völlig vergessen. Schade!
In der Schachtel ruhten ein paar Kugeln und Sterne sowie über Jahre gesammeltes Lametta, das früher die Christbäume geschmückt hatte. Der Christbaumschmuck schlief die meiste Zeit des Jahres, aber im Advent, wenn es auf dem Dachboden immer kälter wurde und die Glocken des Städtchens viel häufiger erklangen als zu jeder anderen Jahreszeit, erwachten zwei der Kugeln Jahr für Jahr. Und immer sagte die blaue Glitzerkugel zur roten:
»Könnte ich dich doch nur ein einziges Mal sehen, meine Liebste, wie glücklich würde mich das machen!«
Die rote Kugel seufzte dann und versuchte, ein wenig näher heranzurücken, was ihr aber nicht gelang.
»Hätte ich Arme, dann würde ich dich umarmen und niemals wieder loslassen«, flüsterte sie. »Es ist mir wichtiger, dich zu spüren, denn dich zu sehen!“
»Wir müssen es uns ganz fest wünschen«, meinte die blaue Kugel. »Manchmal gehen Wünsche in Erfüllung!«
So lagen die beiden hübschen Weihnachtskugeln nebeneinander und wünschten sich sehnlichst Licht und ein wenig mehr Nähe. Ihre Wünsche machten sich auf die Reise und besuchten den Traum der kleinen Malia, die selig schlummernd in ihrem Bettchen lag. Zart wie Seifenblasen schwebten die beiden Kugeln über das Gesicht des Kindes, das plötzlich die Augen öffnete.
»Haben will«, flüsterte Malia und öffnete die Händchen. In jeweils eine Hand setzten sich die hauchzarten Glitzerkugeln, verweilten ein wenig und schwebten dann gemeinsam wieder davon. Malia lächelte und schlief gleich wieder ein.

Am nächsten Morgen malte Malia eine blaue und eine rote Weihnachtskugel und als sie ihre Händchen öffnete und lauter Glitzer zu sehen war, da staunte die Mama doch sehr und wir wissen nun, dass Träume wahr werden können, nicht wahr? Am selben Tag nämlich erinnerte sich Malias Mutter daran, dass in ihrer Kindheit bunte Kugeln den Baum geschmückt hatten. Eine rote und eine blaue Glitzerkugel waren auch dabei gewesen. Die mussten doch noch irgendwo sein!

Und so bekamen die beiden Kugeln in diesem Jahr endlich wieder einen Platz am Weihnachtsbaum und sie konnten sich anschauen und vor Glück glitzerten sie wie nie zuvor.

© Regina Meier zu Verl