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Ist Weihnachten ein Gefühl?

Schnee liegt im Wald. Funkelnd weißer Schnee. Es ist der erste Schnee in diesem Winter und er ist pünktlich zur Weihnachtszeit eingetroffen. Doch davon ahnen die Waldtiere nichts. Sie kennen dieses Fest, das die Menschen ‚Weihnachten‘ nennen, nicht. Wozu auch braucht ein Waldtier dieses Weihnachten? Man kann es nicht essen und nicht trinken und es wärmt auch nicht den feuchten Pelz, und das sind Dinge, die gerade im Winter wirklich wichtig sind.
Und genau das sagt der alte Hase, der von einem Ausflug zum Dorf der Menschen in den Wald zurückgekehrt ist.
„Dieses Weihnachten“, erklärt er seinen Freunden, die nicht wie viele Waldtiere den Winter verschlafen, „ist eines dieser unnötigen Dinge, die die Menschen erfunden haben, wozu auch immer. Vielleicht, um sich von den wichtigen Dingen im Leben abzulenken?“
„Es scheint ihnen Freude zu bereiten“, bemerkt das Eichhörnchen, das oft die Plätze der Menschen aufsucht, weil es auch dort seine Vorratsverstecke  angelegt hat. „Ich sehe und höre es immer wieder.“
„Freude!“, brummt der Igel, der eigentlich längst schlafen sollte. „Ein warmes Lager lässt mich freuen. Ein  voller Bauch auch.“
„Und gute Freunde wie euch“, knarzt der Rabe.
„Und ein Sonnentag im Winter“, schnurrt die Katze vom Försterhaus. „Es macht mir die größte Freude, wenn die Sonnenstrahlen meinen Pelz erwärmen. Sagt, Freunde, was braucht man mehr in diesen Tagen?“
„Was ist Freude?“, fragt da das kleine Fuchsmädchen, das seinen ersten Winter im Wald erlebt.
Die Freunde sehen sich an und müssen ein bisschen schmunzeln.
„Freude!“, sagt der alte Hase schließlich, „das ist, wenn du dich wohl fühlst und wenn sich dein Bauch anfühlt, als würde ein Glückskäfer in ihm fröhlich hüpfen.“
„Hüpfen? Im Bauch?“ Der Igel vergisst seine schlechte Laune und kichert, und unten vom Stein her beschwert sich sogleich ein helles Stimmchen:
„Ich hüpfe nicht in fremden Bäuchen herum, dass ihr das nur wisst!“
Es ist der Marienkäfer mit den schwarzen Glückspunkten, der hier seinen Winterschlafplatz hat, und er klingt ein bisschen empört. „Was denkt ihr von mir?“
„Dass du Glück bringst“, lacht das Eichhörnchen, „wenngleich ich dieses Glück auch nicht unbedingt in meinem Magen spüren möchte.“
Alle lachen nun. Das Fuchsmädchen aber protestiert.
„Wenn ich mich fürchte, hüpft es auch in meinem Bauch und das hat mit Glück nichts zu tun und auch nichts mit Freude. Nein, oft fühlt es sich an wie Angst.“
„Stimmt“, sagt die Katze. „Es war auch nur als Vergleich gemeint, weißt du, damit du weißt, was Freude ist.“
„Angst ist Freude?“
„Angst ist ein Gefühl und Freude auch und alle Gefühle fühlt man am meisten oft im Bauch“, erklärte die Fuchsmama nun. „Das lernst du auch noch, mein Kind.“
„Und ist dieses Weihnachten auch ein Gefühl?“ , erkundigt sich der Igel. „Ein Menschengefühl?“
Hm! Gute Frage. Die Tiere sehen sich an. Schließlich nickt der alte Hase, der schon viel herumgekommen ist und sich auskennt.
„Das würde es erklären“, meint er. „Sie feiern ein schönes Gefühl, das ihnen im Winter gut tut wie ein voller Bauch, ein warmes Lager und gute Freunde.“
„Dann mag ich es, dieses Weihnachten!“, rief das Fuchsmädchen. „Und eigentlich haben wir es dann ja auch.“
„Wir? Weihnachten?“
Die Freunde sehen sich an. Darüber müssen sie nun erst mal nachdenken.
Und du? Was meinst du?

© Elke Bräunling


Weihnachtshase?, Bildquelle © BiancaVanDijk/pixabay