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Klaus und der Nikolaus

Sorgfältig wienerte Klaus seine schwarzen Stiefel. Das Nikolauskostüm hatte er aufgebügelt und auch der Bart war gestriegelt. Der Nikolaustag konnte kommen. Ihm war es praktisch in die Wiege gelegt worden, dem Nikolaus ein irdischer Gehilfe zu sein, dadurch, dass seine Eltern ihn Klaus genannt hatten. Er war darauf sehr stolz und eigentlich hatte er nur einen einzigen Wunsch, einmal dem „richtigen“ Nikolaus zu begegnen.
Einmal, vor langer Zeit, hatte er beinahe gedacht, er hätte ihn gesehen und sogar mit ihm gesprochen. Es war in eine Nacht, die er nie vergessen würde. Er war auf dem Heimweg nach einem Nikolausfest in der Waldschänke. Der Tag war anstrengend gewesen und er war müde.
Eine Abkürzung durch den Stadtpark nahm er, um möglichst schnell in seine warme Stube zu kommen. Auf einer Bank saß ein alter Mann. Er schien zu schlafen. Vorsichtig näherte sich Klaus dem Alten. Er hatte Mitleid mit ihm, denn es war bitterkalt und der Mann hatte weder eine Mütze noch Handschuhe. Seine Füße steckten in Sandalen und die Socken hatten dicke Löcher an den Zehen. Nein, so konnte er den armen Kerl nicht sitzen lassen. Es war zu kalt. Er würde sich den Tod holen. Sanft rüttelte er ihn am Arm.
„Hallo! Sie! Herr … Sie können hier nicht bleiben. Wachen Sie auf!“
Der Alte schien davon unberührt. Er schlief weiter.
Klaus war ratlos. Was sollte er tun? Wenn er nur wüsste, wo der Mann zuhause war. Vorsichtig zog er den Jutesack, der unter der Bank lag, hervor. Vielleicht fand sich darin ein Hinweis. Er war gut schwer, der Sack. Pakete waren drin, kleine und große, in hübschem Papier verpackt, einige mit dicken Schleifen. Klaus fing an zu schwitzen, sollte das etwa …? Nein, das konnte nicht sein, das war ein alter Mann, heruntergekommen, ärmlich und schlafend. Wie kam er zu dem Sack? Hatte er ihn etwa gestohlen? Wer aber bestiehlt einen Nikolaus? Nein, das musste ein Irrtum sein. Wieder rüttelte Klaus den Fremden leicht an der Schulter und der antwortete mit einem lauten Schnarcher.
„Um Himmelswillen! So wachen Sie doch auf!“
Weil der Alte aber nicht reagierte, beschloss Klaus, Hilfe zu holen. Mobiltelefone hatte es damals noch nicht gegeben und er musste bis zum nächsten Parkausgang laufen, um zur Straße zu gelangen und einen Wagen anzuhalten.
Wild mit den Armen wedelnd stand Klaus im Nikolauskostüm am Straßenrand und er hatte Glück, gleich der erste Wagen hielt an.
„Hilfe!“, rief Klaus. „Da, auf der Bank im Stadtpark liegt der Nikolaus und wenn wir ihm nicht helfen, dann wird er erfrieren!“
„Sie haben wohl einen Schnaps zu viel getrunken!“ Der Fahrer lachte. Was sollte er auch davon halten? Da stand ein Nikolaus, der ihn angehalten hatte und erzählte von einem weiteren Nikolaus, der auf einer Parkbank erfror. Das konnte doch nur ein Scherz sein. Laut lachend drehte er seine Scheibe wieder hoch und fuhr davon.
Klaus wusste sich nicht zu helfen. Er rannte zu der Bank zurück, doch der Alte war nicht mehr da. Samt Jutesack war er verschwunden. Auf der Bank aber lag ein buntes Paket. „Für meinen Kollegen Klaus“, stand darauf.

© Regina Meier zu Verl & Elke Bräunling